141. Katholikentag in Münster: Die Katholischen Studentenverbände waren wieder gut aufgestellt.

14. Mai 2018

Der 101. Katholikentag liegt schon mehr als acht Wochen zurück. Will man ein Fazit ziehen, kann man eines auf jeden Fall vorab feststellen: Das Christentreffen in der Stadt des Westfälischen Friedens ist auf der Habenseite der seit 1848 durchgeführten Katholikentage zu verbuchen  – sowohl quantitativ als auch qualitativ.

Teilnehmerrekord: Fast 90.000 Besucher

Mit über 53.000 Dauerteilnehmern und zusätzlich etwa 35.000 Tagesbesuchern – so die offizielle Statistik der Veranstalter – war der Münsteraner Katholikentag vom 9. bis 13. Mai 2018 der bestbesuchte seit 1990 nach dem Mauerfall in Berlin. Zum Vergleich: 2016 in Leipzig und 2014 in Regensburg wurden jeweils etwa 50.000 Besucher gezählt. Bemerkenswert war in Münster (wieder) der hohe Anteil junger Menschen mit rund 30 Prozent. Für die Unterdreißigjährigen vermitteln Katholikentage besonders wertvolle Erfahrungen: Hier wird gerade für die Jugend Kirche erfahrbar, was zu Hause in den „pastoralen Großräumen“ oft nicht mehr der Fall ist. Hier erleben sie Gemeinschaft im Glauben mit vielen Gleichgesinnten. 

Und sieht man einmal ab vom Nachmittag des Himmelfahrtstages, an dem sich ein Gewitter über Münster entlud, herrschte eitel Sonnenschein mit sommerlichen Temperaturen, was zu der heiteren und gelassenen Atmosphäre über alle Tage und der positiven Grundstimmung sicher wesentlich beigetragen hat.

Das fünftägige Laientreffen war ein großes Fest des Glaubens, aber nicht nur: Es war vor allem auch ein sehr politischer Katholikentag, der sich nicht in einem harmlosen, unverbindlichen „Wohlfühlkatholizismus“ erschöpfte. 

Leitwort traf Nerv der Zeit

 Als das Motto des 101. Katholikentags „Suche Frieden“ im September 2016 bekanntgegeben wurde, konnten die Verantwortlichen noch nicht ahnen, dass sie mit diesem Leitwort so aktuell wie selten den Nerv der Zeit treffen würden: Kurz vor Beginn der Christenversammlung hatte US-Präsident Donald Trump den Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran verkündet und im Nahen Osten eskalierte erneut die Gewalt. In der Innenpolitik hat sich die Parteienlandschaft aufgefächert, haben rechtspopulistische Strömungen und Fremdenfeindlichkeit an Boden gewonnen. In der Gesellschaft nimmt der Individualismus zu. Im Internet werden Hasspaolen verbreitet. Aber auch der richtige Umgang mit Flüchtlingen und dem Islam stellen unsere Gesellschaft vor besondere Herausforderungen. Politiker und Kirchenleute fanden in Münster klare Worte zur rechten Zeit. Die deutliche Ablehnung der neuen US-Politik. Ein Nein zu antisemitischen Angriffen. Warnungen vor Hetze und Anschlägen gegen Muslime. Da war eine große Übereinstimmung spürbar – zwischen Politiken und Kirchenoberen, aber auch mit den Katholikentagsteilnehmern. Während es noch vor zwei Jahren in Leipzig so schien, als wären politische Diskussionen bei Katholikentagen nicht länger gefragt, waren gerade diese Veranstaltungen in Münster überfüllt. Das Interesse an der Politik scheint beim Kirchenvolk wieder zugenommen zu haben.

Aber auch aktuelle innerkirchliche Fragen wie die Kontroversen um die Zulassung evangelischer Ehepartner zur Kommunion und um den bayerischen Kreuzerlass bewegten die Gläubigen im Lichte des Leitworts „Suche Frieden“. 

Durch lebhafte und kritische Debatten habe der Katholikentag einen Kontrapunkt nach zuletzt etlichen Negativschlagzeilen über die Kirche gesetzt, resümierte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg. „Er hat das frische und aufgeweckte Gesicht der Kirche gezeigt, herausgestellt, welche Potenziale in ihr stecken, jenseits von Finanzskandalen und Missbrauchsfällen.“ Die Besucher seien „keine verschüchterten Schafe“ gewesen, es habe sich um ein „selbstbewusstes Gottesvolk“ gehandelt.  

Als Eindruck bleibt: Die Katholikentagsteilnehmer in Münster waren nicht auf der Suche nach einfachen Antworten, sondern nach differenzierter Argumentation und respektvoller Auseinandersetzung. Der Ton in den Diskussionen war eher nachdenklich als kämpferisch, eher fragend als rechthaberisch. 

Katholikentage wollen gesellschaftliche Debatten abbilden und dazu kirchliche Positionen bieten. Der Münsteraner Bischof Felix Genn betonte in diesem Zusammenhang, auch Kirchenkritiker müssten einräumen, dass es einen solch breiten Diskurs heute nur noch auf evangelischen Kirchentagen und Katholikentagen gebe.

Kirchenmeile machte Vielfalt kirchlichen Lebens sichtbar

  Auch die katholischen Studentenverbände haben sich beim großen Katholikentreffen aktiv eingebracht und – um es schon vorweg zu nehmen – gut geschlagen. CV, KV und der Unitas-Verband haben sich wieder unter Federführung der Arbeitsgemeinschaft katholischer Studentenverbände (AGV) in einem Doppelzelt auf der Kirchenmeile, einer großen weißen Zeltstadt auf den großen Parkplätzen am Schlossplatz, vorgestellt und im großen Konzert von über 300 Ständen von Verbänden, Bewegungen, Diözesen, Orden, Hilfswerken, Organisationen und Gruppen gezeigt, dass sie aktiver Teil in der Vielfalt kirchlichen Lebens in Deutschland sind. Besonderer Anziehungspunkt waren kurze Interviews, zu denen die AGV Prominente aus Kirche, Politik und Kultur eingeladen hatte, um über aktuelle Fragen zu diskutieren. Viele der Politiker, die am Katholikentag teilnahmen, kamen auch zur AGV. So konnte die Aufmerksamkeit der vorübergehenden Passanten erregt und ein Verweilen am Zelt erreicht werden. Vor allem während der Interviews war das Zelt gut gefüllt, aber auch darüber hinaus waren Zuspruch und Interesse groß. Nicht zuletzt schauten zahlreiche Katholikentagsteilnehmer aus den katholischen Studentenverbänden vorbei.

Premiere: AGV-Empfang

Mit einem eigenen Katholikentagsempfang auf dem Markomannenhaus, dem Vereinsheim des K.St.V. Markomannia im KV, hat die AGV ein neues Format für ein Treffen der Katholikentagsbesucher aus den Mitgliedsverbänden, aber auch anderer geladener Katholikentagsbesucher geboten. Rund 150 Gäste waren der Einladung gefolgt, lauschten dem kurzen Vortrag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der als Ehrengast gekommen war. Anschließend gab es noch viel Zeit zur Begegnung und zum Austausch. 

Daneben hat der CV in eigener Verantwortung und eigenem Namen eine Podiumsdiskussion und einen Themengottesdienst im Katholikentagsprogramm platziert, die ebenfalls gute Resonanz fanden, was noch vor vier Jahren in Regensburg nicht der Fall war. Schade nur, dass der Verband nicht bereit war, auch diese Veranstaltungen unter einem gemeinsamen Dach mit KV und UV durchzuführen. Es wäre ein passendes Zeichen für den Willen gewesen, bei solchen Großveranstaltungen, bei denen es ohnehin nicht in erster Linie um Nachwuchswerbung geht, auf Verbandsegoismus zu verzichten. Dieser passt nicht mehr in die heutige Zeit, die Verbände müssen nach draußen gehen und über ihren eigenen Tellerrand hinausblicken. Sie müssen sich auch um gesellschaftspolitische und kirchliche Probleme kümmern. Das geht eben effizienter, wenn man es gemeinsam tut. Da ist der Katholikentag eine geeignete Bühne. Auf der Plattform der AGV geschieht dies erfreulicherweise schon, aber da ist noch Luft nach oben.

Selbstvergewisserung des christlichen Auftrags

Was bleibt? – Das Leitwort des Katholikentags „Suche Frieden“ muss über die Tage in Münster hinauswirken. Es darf nicht gelten: „Schön, dass wir mal drüber geredet haben!“ – und nun gehen wir wieder zur Tagesordnung über. Die Erkenntnisse müssen in die Gemeinden und Verbände getragen, dort weiter diskutiert und umgesetzt werden. Wir müssen sehen, wo es in Kirche und Gesellschaft Ungerechtigkeiten gibt und diesen nachgehen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bbr. Reinhard Kardinal Marx, hat die Christen dazu aufgerufen, sich nicht in die Sakristei zurückzuziehen, sondern in die Welt hinauszugehen und die christliche Glaubenserfahrung mutig in die Zukunft zu tragen. „Wir brauchen lebendige Zeugen der Auferstehung Jesu, die vom Glauben sprechen und den Glauben leben“, so Kardinal Marx. Und weiter: „Wir brauchen nicht die, die nur verwalten, kühle Technokraten und Manager der Macht, rechthaberische Schriftgelehrte. Nein, wir brauchen Zeugen, die wissen, dass Gott sie führt, Zeugen des unzerstörbaren Lebens. Die Kraft des Zeugnisses muss der Kern der Weitergabe des Glaubens sein.“ Beim Katholikentag in Münster sei es auch um Selbstvergewisserung dieses Auftrags gegangen. „Wir wollen Instrument des Friedens sein“, betonte Marx.

Abschließend soll der Journalist Joachim Frank zu Worte kommen, der im Kölner Stadtanzeiger eine zutreffende Schlussbilanz zieht: „Den Frieden zu finden, das wäre wohl zu viel verlangt von einem Katholikentag. Aber mottogetreu danach gesucht haben die Teilnehmer im westfälischen Münster. Und sie haben etwas gefunden. Ein westfälisches Feeling. Es war der zugleich engagierteste und entspannteste, der fröhlichste und forderndste, politisch wachste und kirchlich entschiedenste Katholikentag seit langer Zeit. … Ohne Zweifel haben die aktuellen Krisen den Imperativ  ‚Suche Frieden‘ des Katholikentags intensiviert. In Münster haben die Christen gezeigt, dass Politik sie etwas angeht. Für einen Wohlfühl-Katholizismus sind die Zeiten zu ernst. Zu bewegt aber auch für eine Tiefkühl-Kirche, die ihr Heil in der Erstarrung sucht.“ Dem ist aus der Sicht des Chronisten nichts hinzuzufügen, außer: bis 2021 in Frankfurt am Main.

VON HERMANN-JOSEF GROSSIMLINGHAUS (UV)