AGV wurde 50 Jahre alt – Festakt in Berlin mit Friedrich Merz

10. Dezember 2019

Die Arbeitsgemeinschaft katholischer Studentenverbände (AGV) wurde vor 50 Jahren in Bonn begründet – Grund genug, das Jubiläum am 28. November 2019 mit einem Festakt in der nordrhein-westfälischen Landesvertretung in Berlin zu begehen. Den Auftakt bildete eine prominent besetzte Podiumsdiskussion zum Thema „Generationengerechte Politik aus christlicher Verantwortung“. Nach einer Einführung durch den AGV-Vorsitzenden Johannes Winkel (CV) und der Begrüßung durch den Hausherrn, Staatssekretär Dr. Mark Speich (RKDB), sowie einem Impulsreferat des Vizepräsidenten des CDU-Wirtschaftsrats Friedrich Merz (CV) diskutierten unter der Moderation des ehemaligen AGV-Vorsitzenden Dr. Bernd Schulte (KV) neben Merz die frisch gekürte neue Chefin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) und ehemalige CDU-Politikerin Hildegard Müller, der Leiter des Katholischen Büros Nordrhein-Westfalen Dr. Antonius Hamers (KV) und der AGV-Vorsitzende Johannes Winkel.

In der Podiumsdiskussion wurden zahlreiche Themen angesprochen wie Klimawandel, Renten-, Bildungs- und Migrationspolitik, die außenpolitischen Herausforderungen sowie die Hassreden im Internet und die zunehmende Radikalisierung am linken und rechten Rand der Gesellschaft, aber mit wachsender Tendenz auch schon in der bürgerlichen Mitte. Friedrich Merz betonte, dass die Katholiken im 21. Jahrhundert in Deutschland mehr als jemals zuvor durch die gesellschaftliche Entwicklung mit einer zunehmenden Säkularisierung herausgefordert seien. Katholiken und Christen allgemein seien immer wieder angehalten, ihre Rolle neu zu hinterfragen. „Wir befinden uns in einem Kulturkampf um die Zukunft unserer freiheitlichen, offenen und liberalen Gesellschaft“, beschrieb Merz die große Herausforderung unserer Zeit. Antonius Hamers kritisierte Versuche rechtsradikaler und rechtspopulistischer Parteien, das Christentum zu vereinnahmen. Es sei nicht nachvollziehbar, wenn diese christliche Werte für sich instrumentalisierten, ohne sie vorzuleben. Im Blick auf die Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer sagte Hildegard Müller, dass Gott nicht zwischen Muslimen und Christen unterscheide. Hier gehe es nur um Menschlichkeit und Nächstenliebe.

An das Podiumsgespräch schloss sich noch ein Empfang für die etwa 170 geladenen Gäste an, darunter führende Repräsentanten der AGV-Mitgliedsverbände und befreundeter Organisationen sowie Vertreter aus Politik und Kirche.

Hatten die katholischen Studentenverbände noch bis Ende der 1960er Jahre in der 1947 gegründeten Katholischen Deutschen Studenten-Einigung (KDSE) mit den Hochschul- und Studentengemeinden zusammengearbeitet, brachte das Jahr 1969 eine Zäsur. Die sogenannte 68er-Bewegung stellte vieles infrage, was zum Wesen der katholischen Verbände gehört. Sie beeinflusste auch Teile der katholischen Studierenden und viele Hochschulgemeinden, die nun ein aktives, die Gesellschaft veränderndes Christentum propagierten. Sie hinterfragten auch kirchliche Traditionen und Hierarchien. Die Politisierung und das neue Selbstverständnis der Gemeinden wollten die katholischen Studentenverbände nicht weiter mittragen und traten 1969 aus der KDSE aus. Noch im selben Jahr schlossen sich die katholischen Korporationsverbände CV, KV, UV und RKDB sowie der ND-Hochschulring zur Arbeitsgemeinschaft katholischer Studentenverbände (AkStV) zusammen.

Nach der Auflösung der KDSE Anfang 1973 beschloss die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) schon im März desselben Jahres eine Neuordnung der Pastoral im Hochschulbereich. Dazu wurde die Arbeitsgemeinschaft der katholischen Hochschulgemeinden (AGG) gegründet. Auf Bitten der DBK konstituierte die AkStV sich am 18.07.1974 ebenfalls neu und gab sich das Kürzel AGV. Sie passte sich damit in die Neuordnung ein. Mit der Umbenennung sollte die Bedeutung der Verbände als zweite, selbstständige Säule katholischen studentischen Lebens an den deutschen Hochschulen parallel zur AGG herausgestellt werden. Neben der Arbeitsgemeinschaft der Gemeinden stand nun die Arbeitsgemeinschaft der Verbände.

In den ersten Jahren nahm die AGV zunächst vornehmlich eine Servicefunktion wahr: Sie informierte über Entwicklungen im Hochschul- und Bildungsbereich, bot Weiterbildungsseminare für Multiplikatoren ihrer Mitgliedsverbände an und fungierte als Plattform zum Austausch zwischen den Vorortspräsidien. In den Jahrzehnten nach 1980 trat die Funktion als Forum der Meinungs- und Willensbildung zwischen den Mitgliedsverbänden zu politischen und kirchlichen Themen in den Vordergrund. Die AGV entwickelte sich  stärker zu einem Ort der Debatte, der Vernetzung und der Kommunikation. Nach dem internen Willensbildungsprozess werden Positionsbestimmungen vorgenommen, die dann aktiv in die Öffentlichkeit gebracht werden. Neben der Publikation geschieht dies insbesondere über die Dialogprogramme, in denen die verbandlichen Standpunkte und Forderungen Verantwortlichen aus Politik, Kirche, Hochschulen und Medien nähergebracht und möglichst auch in den politischen Entscheidungsprozess eingespeist werden sollen.

Dahinter steht das Bemühen, die Gesellschaft aus dem christlichen Glauben mit zu gestalten, auf die Durchsetzung katholischer Anliegen in Politik und Gesellschaft hinzuwirken, das Laienapostolat zu fördern und die katholischen Studentenverbände zur Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer Interessen zu koordinieren und zusammenzuführen. Die Arbeitsgemeinschaft will die Ziele und die Arbeit ihrer Mitgliedsverbände unterstützen und verstärken, sie will einen erkennbaren Mehrwert bringen. Die Verbände – und damit auch die AGV – tragen auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes, ihrer christlichen Wertvorstellungen und der christlichen Soziallehre Mitverantwortung für die Entwicklungen in Staat, Gesellschaft und Kirche. Dabei kann die AGV wertvolle Unterstützung leisten; denn hier gilt der Grundsatz „Gemeinsam sind wir stärker“. Inzwischen hat die AGV sich als „Lobbyist“ gegenüber Politik, Hochschulen, Kirche und Medien profiliert und sich einen festen Platz als Gesprächspartner erarbeitet. Seit 2009 ist sie auch als offizielle Interessenvertretung gegenüber dem Bundestag und der Bundesregierung zugelassen.

Erstrangig werden die Belange der katholischen Studenten in der Hochschul- und Bildungspolitik vertreten. Hier wird einem Studentenverband besondere Kompetenz zugetraut. Aber auch Fragen des Lebensschutzes stehen auf der Tagesordnung der AGV, denn nicht alles, was vom Standpunkt der Wissenschaft zulässig ist, ist auch ethisch vertretbar. Daher ist eine weitere Herausforderung die ethische Sensibilisierung, d.h. das Ringen um das rechte Handeln und richtige moralische Urteil in Forschung und Lehre zur Geltung zu bringen.

Die AGV ist – wie ihre Mitgliedsverbände – parteipolitisch neutral, aber nicht unpolitisch. Aus der in den Prinzipien der Verbände verankerten christlichen Verantwortung fühlt sie sich dem Gemeinwohl im Ganzen verpflichtet und bringt sich in diesem Sinne in den politischen Meinungsbildungsprozess ein. Sie soll keine Werbung für eine bestimmte Partei machen, tritt aber entschieden auf der Grundlage christlicher Werte und der katholischen Soziallehre für eine verantwortbare Politik ein. Schließlich sind auch die Generationengerechtigkeit und der Klimawandel für die heutigen Studenten herausragende Zukunftsthemen ebenso wie die Entwicklung unserer Demokratie und die Vermittlung eines stärkeren Bewusstseins für Grund- und Freiheitsrechte.

In seinem Grußwort zum 50-jährigen Bestehen der Arbeitsgemeinschaft katholischer Studentenverbände hebt Bbr. Reinhard Kardinal Marx die geistlichen Angebote der AGV zur persönlichen Glaubensvertiefung der Studierenden hervor, besonders die Studenten-Wallfahrten, die die AGV seit 1984 organisiert. „Vom Wert dieser sehr pastoralen Arbeit  der AGV konnte ich mich als Weihbischof im Erzbistum Paderborn und als Rektor der Kommende in Dortmund mehrfach als Geistlicher Begleiter der Wallfahrten selber überzeugen“, betont der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Bis heute haben rund 2.000 Studentinnen und Studenten an 38 Wallfahrten teilgenommen.

Zum Jubiläum erreichten die AGV viele Glückwünsche. Neben der schon erwähnten Grußadresse von Kardinal Marx erhielt der AGV-Vorstand auch Post aus dem Vatikan. Papst emeritus Benedikt schreibt: „Alles drängt darauf, den Katholizismus aufzulösen und abzulösen durch andere geistige Kräfte. So ist es in dieser Stunde gewiss nicht leicht, junge Menschen für die Aufgabe zu begeistern, auch heute den Katholizismus und das Katholische als entscheidende Kräfte gegen die Bedrohung des Menschen und der Schöpfung Gottes zu begeistern. Für diese wichtige Aufgabe wünsche ich der AGV von Herzen Gottes Segen.“

Kardinal Marx fordert die katholischen Studentenverbände auf, die demokratische Grundordnung entschieden zu verteidigen: „Nutzen Sie Ihre Ressourcen, Fähigkeiten und Kontakte, um die Zukunft in einem christlichen Sinne zu gestalten. Stehen Sie für die Demokratie ein und entwickeln Sie diese weiter. Geben Sie Ihre religiösen und politischen Überzeugungen an nachfolgende Generationen Studierender weiter. Lassen Sie sich dabei nicht entmutigen. Beweisen Sie Ausdauer und Geduld. Denn es ist nicht die Frage, welche Zukunft wir dulden müssen, sondern welche wir schaffen wollen.“

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Prof. Dr. Dr. Thomas Sternberg, bescheinigt der AGV, dass ihr kirchliches, gesellschaftliches und politisches Engagement, mit dem sie den gemeinsamen Anliegen katholischer Studenten eine Stimme gebe, eine wichtige Stimme im Katholizismus unseres Landes sei. „Sie geben wertvolle Impulse für gesellschaftliche Debatten und entwickeln ein wissenschaftliches Potenzial, das Sie dazu befähigt, Verantwortung in Kirche, Staat, Wirtschaft sowie an Universitäten zu übernehmen“, stellt der ZdK-Präsident fest. Die AGV sei auch als eine der jungen Stimmen in der Vollversammlung des ZdK vertreten und somit Teil des repräsentativen Zusammenschlusses der in der katholischen Kirche in Deutschland aktiven Gläubigen.

Fazit: Der AGV wird für die vergangenen fünfzig Jahre ein positives Zeugnis ausgestellt. Inwieweit die katholischen Studentenverbände und ihre Arbeitsgemeinschaft weiter erfolgreich sein können, hängt davon ab, wie sie in der heutigen Medienlandschaft wahrgenommen werden. Dazu bedarf es eines profilierten, reflektierten und aktuellen Auftretens in der Öffentlichkeit. Im Umgang mit der Politik muss die AGV mit guten Argumenten in die Auseinandersetzung um ihre Kernthemen gehen. Bei hochschul- und bildungspolitischen Inhalten, aber auch bei ethischen Fragen und beim Disput um Werte in unserer Gesellschaft haben die katholischen Studentenverbände gute Chancen, gehört zu werden.

Über die AGV

Seit 1969 ist die Arbeitsgemeinschaft katholischer Studentenverbände e.V. der größte Zusammenschluss katholischer Studentinnen und Studenten in Deutschland. Die AGV setzt sich derzeit aus den fünf katholischen Studentenverbänden CV, KV, UV, RKDB und TCV zusammen. Ihre Kernaufgabe ist es, die Belange katholischer Studentinnen und Studenten zu diskutieren und zu bündeln, um sie anschließend öffentlich – in der Politik, in der Kirche und an den Hochschulen – artikulieren zu können. Dazu ist sie in verschiedenen Gremien vertreten, ist ein eingetragener Interessenverband beim Deutschen Bundestag und führt im Rahmen der AGV-Dialogprogramme regelmäßig Gespräche mit Spitzenvertretern aus Politik, Kirche, Wissenschaft, Wirtschaft und Medien. Das nächste Dialogprogramm findet im März 2020 in Rom statt.

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